Pflichtteilsminderung bei fehlendem Naheverhältnis
Wenn zwischen dem Erblasser und einem Pflichtteilsberechtigten (das sind in der Regel Kinder und der Ehegatte/eingetragene Partner) zu keiner Zeit oder über einen zumindest zwanzigjährigen Zeitraum vor dem Tod des Erblassers kein Naheverhältnis bestand, kann der Erblasser den Pflichtteil des Betroffenen in seinem Testament auf die Hälfte mindern.
Kein Pflichtteilsminderungsrecht bei ablehnendem Verhalten des Erbklassers
Ein Minderungsrecht besteht aber dann nicht, wenn der Erblasser selbst den Kontakt zum Pflichtteilsberechtigten grundlos gemieden hat, oder selbst berechtigten Anlass für den fehlenden Kontakt gegeben hat. Ein bloß passives Verhalten oder ein unterlassenes aktives Bemühen um Kontakte auf Seiten des Erblassers führt grundsätzlich noch nicht zum Ausschluss des Rechts auf Pflichtteilsminderung. Es muss vielmehr ein gewisses ablehnendes Verhalten des Erblassers vorliegen, das es rechtfertigt, ihm die Möglichkeit der Pflichtteilsminderung zu verwehren. Das Nichtreagieren auf Kontaktaufnahmeversuche durch den Pflichtteilsberechtigten oder das aktive Ablehnen von Kontakten, ohne berechtigten Grund, kann den Ausschluss des Minderungsrechtes zur Folge haben.
Rechtliches Interesse
Ist die Pflichtteilsminderung berechtigt, muss sich der Pflichtteilsberechtigte nur mit der Hälfte des ihm eigentlich zustehenden Erbes begnügen. Er hat daher ein rechtliches Interesse daran sich vor Gericht auf die Unzulässigkeit der Minderung zu berufen.
Aktuelle Entscheidung des OGH
In einem kürzlich vom Obersten Gerichtshof entschiedenen Fall bestand zwischen dem Vater und seiner nicht leiblichen Tochter bis zu deren 30ten Lebensjahr kein Kontakt. Auf einen Kontaktversuch der Tochter, der über den Bruder erfolgt ist, hat der Erblasser ablehnend u.a. mit den Worten „seine Kinder seien Fremde und hätten in dessen Leben keinen Platz “, reagiert.
Durch diese unfreundliche Ablehnung des Kontaktes hat der Vater der Tochter jedoch berechtigten Anlass dafür gegeben, keinen weiteren Kontakt mehr zu ihm zu suchen, sodass die vom Vater verfügte Pflichtteilsminderung nicht berechtigt vorgenommen wurde.
Darüber hinaus wurde klargestellt, dass sich der Vater als Grund für die Ablehnung des Kontaktes auch nicht auf die fehlende Blutsverwandtschaft berufen konnte. Es kommt im Zusammenhang mit Erbrechten und Pflichtteilsrechten nämlich nur auf die rechtlich definierte Verwandtschaft und nicht auf die Blutsverwandtschaft an.
Hätte der Vater vor Ablauf der hierfür zustehenden Frist (diese beträgt grundsätzlich zwei Jahre ab Kenntnis der hierfür sprechenden Umstände) die Feststellung der Nichtabstammung der Tochter von ihm beantragt, hätte sie mangels jeglicher Verwandtschaft zum Vater keinen Pflichtteilsanspruch geltend machen können.
Im konkreten Fall gebührt ihr aber der volle Pflichtteilsanspruch.